Eisenbahn im Mittleren Ruhrtal

78 510

Dampflokomotive ’78 510′ (Vulcan 3972 / 1924)
Hergerichtet durch das AW Witten und die Eisenbahnfreunde Witten

Geschichte

Durch den damaligen Werkdirektor H. Troche wurde Anfang des Jahres 1969 beschlossen, am 10. und 11. Mai im einzigen Weichenwerk der DB, dem Bundesbahn-Ausbesserungswerk Witten, einen “Tag der offenen Tür” zu veranstalten, um den interessierten Wittener Industriebetrieben und auch der Bevölkerung einen Einblick in die Fertigung des größten und modernsten Weichenwerkes in Europa zu geben. Man plante auch eine Fahrzeugschau. Damit dem Besucher der Fortschritt in der Entwicklung der Triebfahrzeuge zu den modernen Traktionsmitteln klar wurde, galt es für die Ausstellung eine geeignete typische Dampflokomotive zu suchen, herbeizuschaffen und herzurichten. Nach längerem Hin und Her fiel die Wahl nach einem Hinweis eines Kollegen aus dem Finanzbüro der BD Hamburg, des Herrn W.-H. Busch, auf die im AW Bremen zur baldigen Verschrottung abgestellte gut erhaltene 078 510-5 (Vul 3972/24), die – wie sich später zufällig nach einer Presseveröffentlichung herausstellte – seinerzeit direkt mit den Schwesterlokomotiven 78 507 bis 514 an das Bw Witten West abgeliefert worden war, also ein wahrhaftig “Bergisch-Märkisches” Fahrzeug darstellte.

Im Oktober 1968 wurde diese Maschine nach einigen organisatorischen Kniffen im Zuge einer Überführungsfahrt von einer ausgebesserten 212 des Bw Wuppertal-Steinbeck von Bremen ins AW Schwerte geschleppt, das gerade seine Dampflokausbesserung endgültig verloren hatte (letzte dort untersuchte Lok war am 18. Oktober 1968 die 50 1751 des Bw Paderborn). Die ehemalige Lokomotivabteilung des Werkes war durchaus noch im Stande, eine Dampflok äußerlich wieder aufzuarbeiten und rollfähig herzurichten. So geschah es dann mit dieser Maschine, wobei versucht wurde, sie wieder in den Zustand von 1953 (Auflösung des Bw Witten Hbf und Abgabe der meisten Loks zum Bw Bochum-Langendreer) zurückzuversetzen, was im wesentlichen den Abbau der Vorrichtung für den Wendezugbetrieb, der Reglerschließeinrichtung und der Spurkranzschmierung bedeutete.

Am 15.03.1969 wurde die äußerlich hervorragend wieder hergerichtete – inzwischen wieder rückgenummerte – 78 510 am Haken der Dampflok 052 404-1 (KM 16279/42) des Bw Bestwig von Schwerte nach Witten überführt und am 17.03. im Zuge einer Aufgleisübung von den Männern des Gerätewagens des ehemaligen Bw Dortmund Rbf auf einem vorbereiteten Gleisjoch auf dem Gelände des AW Witten aufgestellt.

Dort stand sie dann — am Tage der offenen Tür vom staunenden Publikum viel bewundert und auf einem Sonderstempel der Bundespost, der aus diesem Anlass erschienen war, abgebildet — bis zu Beginn der Vorbereitungen für die 150—Jahr—Feier der Deutschen Eisenbahnen in Nürnberg, als die ZW in Mainz mit dem Verkehrsmuseum Nürnberg am 22.02.1984 beschloss, die 78 510 wieder von ihrem Denkmalssockel zu holen und als rollfähiges Ausstellungsstück herzurichten.

So kam denn am 25. Februar in aller Frühe der Gerätewagen des Bw Wanne-Eickel, der an diesem Tag seinen letzten Einsatz erlebte, und stellte die Maschine innerhalb von 6 Stunden wieder auf das Gleisnetz des AW Witten. Die bange Frage, ob sich nach 15 Jahren stillem Denkmalsdasein überhaupt die Räder noch drehten, wurde an diesem Tage noch mit dem Ergebnis beantwortet, dass die lange Zeit den Achslagern offensichtlich überhaupt nichts anhaben konnte, denn die 60jährige “alte Dame“ konnte ohne Schwierigkeiten in die Halle gerollt werden.
Hier begannen interessierte Mitarbeiter, die fast alle Mitglied der “Eisenbahnfreunde Witten im BSW“ waren, sofort mit dem Abbau aller möglichen Teile (Führerhaus, Pumpen, sämtliche Bleche, Kohlen— und Wasserkasten, Armaturen, Stangen usw.) der Lok, sodass diese dann als Torso am 30. März von der 221 131 in die ehemalige Awst Lingen/Ems
geschleppt wurde, wo der Kessel, Rahmen und die Achsen hergerichtet werden konnten, was in Witten wegen der geringen Hallenhöhe und zu geringen Tragfähigkeit der Krananlagen nicht machbar war.
Währenddessen wurde im AW Duisburg—Wedau das Führerhaus und der Kohlenkasten aufgearbeitet, im AW Witten die Stangen, Wasserkästen und Beblechung wieder hergerichtet und in einigen Lehrwerkstätten des Bezirks die Pumpen und sonstige Armaturen wieder in Stand gesetzt.
Am 15. Juni kehrte das hergerichtete Fahrgestell der 78 samt Kessel gezogen von der Osterfelder 221 106 von der Ems an die Ruhr zurück und wurde nun wieder mit den fertigen Einzelteilen durch die bewährte junge Mannschaft (die noch nie mit einer Dampflok zu tun gehabt hatte) in der großen Weichenhalle des AW Witten zusammenmontiert.

Bereits am 30. Oktober wurde eine Probefahrt im Schlepp der in Gelsenkirchen—Bismarck stationierten Museumslok V 160 003 (Kr 4046/60) nach Borken gemacht, um festzustellen, ob das Fahrgestell und das Triebwerk auch den Anforderungen der Schleppfähigkeit bei entsprechend hoher Geschwindigkeit genügten. Bis auf eine ziemlich starke Wärmeentwicklung am linken hinteren Treibstangenlager, was zum Abbau der Treibstangen führte, verlief die Fahrt befriedigend, so dass nach gewissen Abschlussarbeiten und Vorführung des neuen Museumsstückes bei der Bevölkerung und Presse die Überführung in das AW Opladen ins Auge gefasst werden konnte. Dieses war notwendig, da man in Witten keine geeignete Möglichkeit hatte, die Maschine endgültig und staubfrei zu lackieren, sodass man auf diese Nachbarschaftshilfe zwischen dem 14. und 29. November angewiesen war. Als Gegenleistung wurde zugesagt, die dort in Aufarbeitung befindliche Museums—Ellok 110 002—3 (E 10002, Kr 2527/52) mit nach Nürnberg zu überführen.
Währenddessen war man auch im ehemaligen AW Trier nicht müßig gewesen und hatte den Dampflokgiganten 45 010 (He 24803/41), der bis dahin in der Fahrzeugausstellung der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte in Neustadt an der Weinstraße zu sehen war, für das Verkehrsmuseum hergerichtet. Diese Maschine war ungefähr zur gleichen Zeit fertig gestellt wie die 78, so dass die damalige ZW in Mainz anordnete, auch jene von der Wittener Truppe mit nach Nürnberg nehmen zu lassen.

So ergab es sich, dass man am Morgen des 30. November von Witten nach Opladen fuhr und sich von dort um 11.45 mit dem Dsts 80420 bestehend aus folgenden Fahrzeugen in Richtung Nürnberg in Bewegung setzte:

  • Zuglok – 221 106—8 (KM 18998/63) – Bw Gelsenkirchen—Bismarck
  • Liegewagen – 51 – 80 5080 165—4 – Bww Deuterfeld
  • Museums Lok – 78 510 – von Witten nach Nürnberg
  • Museums Lok – 110 002—3 – von Opladen nach Nürnberg
  • Bauzugwagen mit Behelfsküche – 60.9923 981—6 – Brückenbauhof Dortmund

Das Tagesziel war Trier, wo nach einer Ausstellung im Hbf am nächsten Mittag die 45 010 hinter dem Liegewagen eingereiht wurde, um dann im angemessenen Tempo über Saarbrücken — Heilbronn nach Nürnberg zu fahren, wo die Lokomotiven dem Verkehrsmuseum am Abend des 3. Dezember übergeben wurden.

Am nächsten Morgen wurde dann die lange Zeit im Bereich der ehemaligen “Bergisch—Märkischen Eisenbahn“ in Betrieb gewesene 78 510 durch die Betreuungsmannschaft aus Witten mittels der 221 106 auf den Platz in der neuen zweigleisigen Fahrzeughalle hinter dem Gebäude der BD Nürnberg gestellt, auf dem sie heute noch zu besichtigen ist.

Im Mai 1988 jedoch wurde die 78 510, die 15 Jahre in Witten als Denkmal im “Museumshof“ gestanden hatte, in guter Zusammenarbeit mit dem Verkehrsmuseum Nürnberg noch einmal in einer abenteuerlichen Fahrt über Neuenmarkt—Wirsberg (DDM) in die Ruhrstadt überführt und auf einer Fahrzeugschau anlässlich des l25jährigen Bestehens der ehemaligen Central—Werkstätte Witten — heute Bundesbahn—Ausbesserungswerk (ab 1. Februar 1993 Weichenwerk) — ausgestellt.

Inzwischen wurde die Maschine an ihrem Stammplatz in der neuen Halle des Verkehrsmuseums Nürnberg (hinter der BD) mit einer Vorrichtung ausgerüstet, die es erlaubt, ihr Triebwerk im Stand in Bewegung zusetzen.

Text von Manfred van Kampen, Witten (+)

Ihr Lebenslauf konnte wie folgt rekonstruiert werden:

Zeitraum Standort Bemerkung
15.10.1924 – ??.03.1941 Bw Witten West 1)2)
??.03.1941 – 08.09.1953 Bw Witten Hbf 2)
09.09.1948 – 03.10.1953 Bw Witten Hbf ab hier Ersatzbetriebsbuch
04.10.1953 – 09.11.1954 Bw Bochum-Langendreer
10.11.1954 – 23.01.1955 Bw Wesel
24.01.1955 – 21.05.1955 Bw Bochum-Langendreer
22.05.1955 – 10.10.1958 Bw Dortmund Bbf
11.10.1958 – 16.01.1959 Bw Wanne-Eickel
17.01.1959 – 30.09.1960 Bw Dortmund Bbf
01.10.1960 – 04.10.1962 Bw Dortmund Vbf
05.10.1962 – 18.10.1962 AW Trier
19.10.1962 – 30.05.1964 Bw Dortmund Rbf
31.05.1965 – 22.03.1966 Bw Essen Hbf
23.03.1966 – 26.01.1967 Bw Paderborn
27.01.1967 – 01.07.1967 Bw Hamburg-Altona
01.07.1967 Z Entgleisung
12.03.1968 + Verf HVB 21.213 Fau 829
10.1968 – 15.03.1969 AW Schwerte Herrichtung 3)
17.03.1969 – 25.02.1984 AW Witten Denkmal
26.02.1984 – 03.12.1984 AW Witten Aufarbeitung
04.12.1984 – .12.2010 VM Nürnberg Neue Fz-Halle 4)
.12.2010 – h e u t e DB Museum
Standort BW Lichtenfels
in Betreuung der
BSW Gruppe BW Lichtenfels

[Zusammengestellt von M. van Kampen]

Weitere erhaltene Lokomotiven der Baureihe 78

Übersicht weiterer erhaltener Lokomotiven der Baureihe 78 (pr. T 18)

Deutschland
78 009 Bez Dresden; Lok hat Kuhnsche Schleife [!]
78 192 Tuttlingen
78 246 DDM Neuenmarkt-Wirsberg
78 468 betriebsfähig (EPEG)
78 510 Verkehrsmuseum Nürnberg
Ausland
78 189 OKo 1-3 im Museum in Warschau [Aufnahme]
— — 37.05 der Türkischen Staatsbahn entspricht der T18
ist jedoch direkt in die Türkei geliefert worden

.

Literatur zur Lokomotive 78 510

  • W. Menninghaus – G. Krause – M. van Kampen
    „Bergisch-Märkische Eisenbahn (1843-1881) -Ausbesserungswerk Witten“
    Verlag Uhle & Kleimann, Lübbecke,1990. ISBN 3-922657-76-1
  • „Lokomotiven in und um Witten“,
    Eigenverlag bei den „Eisenbahnfreunde Witten im BSW“, 1993
  • „Vereins-Chronik“ zum 15jährigen bestehen der „Eisenbahnfreunde Witten“, Eigenverlag bei den „Eisenbahnfreunde Witten im BSW“, 1998

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